Titelthema | H2ercules H2ercules soll dazu beitragen, dass Wasserstoff für alle zugänglich wird. Das werden am Anfang die industriellen Schwergewichte sein, die heute noch am 40.000 Kilome- ter langen Fernleitungsnetz für Erdgas hängen. Aber auch für den deutschen Mittelstand, für Handel und Handwerk birgt Wasserstoff große Potenziale. Hier werden die 700 Gasverteilnetze und die Stadt- werke bedeutsam. Mit einer Länge von 500.000 Kilometern sind die Verteilernetze so weit verzweigt, dass sie sich dreizehnmal um die Erde wickeln könnten – oder eben gasförmige Energie überall dahin bringen, wo sie gebraucht wird. In Deutschland sind das 1,8 Millionen Gewerbe- und Industriekunden, die vor allem von den Stadtwerken beliefert werden. Auf sie entfallen 70 Prozent des industriellen Gasver- brauchs – und auch sie werden ihre Produktion (oder Teile davon) zügig auf Wasserstoff umstellen müssen. Dabei werden die Stadtwerke eine zentrale Rolle spielen: Indem sie die Pipeline zum Wasserstoffmarkt öffnen und zu einer zuverlässigen H2-Bezugsquelle werden, können sie ihren Kunden einerseits helfen, passende Dekarbonisierungsstra- tegien zu entwickeln. Andererseits können sie sich selbst breiter aufstellen und weiterentwickeln. Denkbar ist, eigene Elektrolyse- projekte voranzutreiben, Cluster zu bilden oder ein Anschluss ans überregionale Netz, um mehr Fle- xibilität zu ermöglichen. Die Transformation von Erdgas hin zu Wasserstoff ist – wie die gesamte Energiewende – eine Herkulesaufgabe. Riesenprojekte nehmen in der Regel Stück für Stück Gestalt an. Das gilt für die Wasserstoffwirtschaft nicht: erneu- erbare Stromerzeugung (Windkraft- Bild vergrößern Im Rahmen des Projekts H2ercules entsteht ein nationales Infrastrukturkonzept für Wasserstoff. anlagen, Photovoltaik), Anlagen für die Wasserstoffproduktion (Elektro- lyseure), Transport, Speicher und Nutzung – all das muss parallel hochgezogen werden. Ein Schritt nach dem andern ist ein Schritt zu langsam. Die Infrastruktur muss so- fort startklar sein und das geht nur, wenn auch jeder einzelne Baustein dieser Infrastruktur startklar ist. Mit jedem Partner stärker Beim Wasserstoff hängt alles mit allem zusammen; etwa die Inves- titionsentscheidungen: Die Produ- zenten werden nur dann Anlagen bauen, um Wasserstoff herzustellen, wenn sie damit rechnen können, dass grüner Wasserstoff nach- gefragt ist und sie darauf bauen können, dass genug Ökostrom da ist, um daraus grünen Wasser- stoff herzustellen. Unternehmen wiederum werden erst dann auf einen wasserstoffbasierten Pro- duktionsprozess umstellen, wenn sie damit rechnen können, dass ausreichend Wasserstoff verfügbar ist, zwischengespeichert und auch geliefert wird. Auch an diesem Punkt setzt das Projekt H2ercules an: Die Initiative ist eine Kooperationsplattform für alle Partner. Jeder, der die Zukunft der Wasserstoffwirtschaft aktiv mitgestalten möchte, kann sich ihr anschließen. Schon jetzt laufen zahlreiche Gespräche. Das Inte- resse ist groß und unter den Inte- ressierten sind nicht nur Großab- nehmer. H2ercules wird mit jedem Partner stärker. Mitmachen heißt mitgestalten: Je früher RWE und OGE mit Partnern wie beispiels- weise den Stadtwerken in Dialog kommen, desto eher können diese sich auf ihre Rolle in der neuen Energiewelt vorbereiten. Es ist gut, dass auch die Politik entsprechende Signale sendet. Eines ist das 2,3 Milliarden Euro schwere Förderpaket für die Was- serstoffwirtschaft, das der Bund und das Land Niedersachsen gerade geschnürt haben. „Wasser- stoff kann Europa grundlegend verändern“, hatte auch die Prä- sidentin der Europäischen Kom- mission, Ursula von der Leyen, im September gesagt. Kurz darauf genehmigte die EU-Kommission weitere 5,2 Milliarden Euro für die Wasserstoffindustrie. Das sind gute Impulse, jetzt muss gehandelt ■ werden. stadt + werk | 11/12 2022 27